Podokoniose

Podo ist eine Krankheit der armen Landbevölkerung Äthiopiens. Menschen, die barfuß laufen und mit vulkanischer Erde im Hochland in Kontakt treten, sind gefährdet. Dort leben etwa eine Million der weltweit vier Millionen Betroffenen. Staub, der in die Füße dringt, verstopft die Lymphgefäße. Die Beine schwellen an und entwickeln einen starken Geruch. Schmerzhafte Entzündungen, Immobilität, Stigmatisierung, Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt und allen sozialen Kontakten sind die Folge.

Was ist Podokoniose?

Podokoniose kommt aus dem Griechischen (ποδοϛ ‚Fuß‘ und κονιον ‚Staub‘) und ist eine nicht-infektiöse Art der Elephantiasis. Sie wird auch endemische, nicht-filariöse Elephantiasis, „Mossy Foot“ Krankheit, Elefantenfußkrankheit, oder „Price’s“/“Morbus Price“ Krankheit genannt.

Schon seit über 1000 Jahren ist das Krankheitsbild bekannt. Doch wurde erst gegen Ende des 19. Jh.s erkannt, dass es sich um eine geochemische, nicht-filariöse Elephantiasis handelt, die im Zusammenhang mit Barfußlaufen stehen muss. Nachdem Podokoniose schließlich als eigenes Krankheitsbild beschrieben wurde, nahm die WHO sie im Februar 2011 offiziell als eine der am meisten vernachlässigten Krankheiten der Welt auf.

Ursache

Was ist die Ursache?

Die Ursache der Podokoniose sind Mikropartikel, die in Böden mit einem hohen Gehalt roter Laterite vulkanischen Ursprungs vorkommen. Diese Partikel dringen bei Menschen, die barfuß laufen, durch die intakte Haut ins subkutane Gewebe, wo sie zu einem entzündlichen Prozess führen. Ödeme und anschließende Fibrosierung* der Lymphbahnen und Lymphknoten verkleinern bzw. verschließen das Lumen der Lymphbahnen, wodurch es zu einem Abflussstau der Lymphe kommt. Über Jahre entwickelt sich das Bild eines bilateralen asymmetrischen Lymphödems der unteren Extremitäten, meistens bis unterhalb des Knies.
* Prozess der Umwandlung spezialisierten Organparenchyms in Bindegewebe

Geologische und klimatische Faktoren

  • Regionen mit roter Erde vulkanischem Ursprungs
  • silikatreiche Erde (Aluminium, Quartz, Magnesium, Eisen, alkalischen Metallen wie Sodium und Pottasche)
  • Hochlandregionen mit einer Höhe über 1000 Metern über dem Meeresspiegel
  • Ausreichender saisonaler Regenfall (mehr als 1000 mm jährlich)

Genetischer Faktor
Nicht jeder, der barfuß geht, entwickelt auch Podokoniose. Auch ein genetischer Faktor spielt eine Rolle. Die Minderheit der barfuß laufenden Menschen mit einer genetischen Prädisposition, entwickelt die Entzündungsreaktion, welche in Podokoniose resultiert.

Armutsfaktor
Meist ist die arme Landbevölkerung betroffen, vornehmlich Bauern und Bäuerinnen, aber auch Minenarbeiterinnen und Minenarbeiter, die aus Armutsgründen barfuß ihrer Arbeit nachgehen müssen. Auch tritt die Krankheit häufig bei Weberinnen und Webern auf, die barfuß auf dem Boden sitzen. Schuhe sind für die meisten Menschen der ländlichen Bevölkerung ein unbezahlbarer Luxus. Auch sind robuste und widerstandsfähige sowie komplett geschlossene Schuhe z.B. in den ländlichen Regionen Äthiopiens eine Marktlücke.

Krankheitsbild

Was sind die Symptome?

Podokoniose ist eine Krankheit, die sich durch massive Schwellungen der Füße und Beine äußert. Meist tritt die Krankheit unabhängig vom Geschlecht in der ersten und zweiten Dekade eines Menschenlebens auf. Anschließend wächst die Prävalenz ständig und erreicht ihren Höhepunkt in der sechsten Lebensdekade.

Prodromale Symptome
Das klinische Bild der Podokoniose beginnt mit dem Stadium der Prä-Elephantiasis mit einigen Prodromal-Symptomen:

  • brennende Füße und Beine, meist nachts
  • leichte Schwellungen der mittleren Zehen
  • juckende Füße
  • pochende große Zehen
  • Pilz- und Bakterieninfektionen der betroffenen Haut
  • raue, dicke Haut, manchmal mit Warzen ähnlichen Auswüchsen
  • gräulich verfärbte Haut
  • starker, unangenehmer Geruch
  • Spreizung des Vorderfußes
  • Ödeme an der Fußsohle mit entweichender Gewebeflüssigkeit
  • Hyperkeratose mit moosartiger Formung der Papillome
  • steife Zehen

Fortschreitende Symptome
Bei den fortschreitenden Symptomen kann man zwei Typen unterscheiden:

Wassersack-Typ: Beim Wassersack-Typ (auch „water bag“ genannt) sind die Schwellungen weich und geben auf Druck nach.

Lederartiger Typ: Beim Lederartigen Typ (auch „leathery type“ genannt) sind die Schwellungen hart und fibrotisch mit verhärtenden Gewebeknoten.

Mögliche Symptome beider Typen:

  • starke, schmerzvolle Schwellungen von den Füßen bis zu den Knien
  • Zusammenwachsen der Zehenzwischenräume
  • Fieber in akuten Adenolymphangitis Phasen, sehr warme, schmerzende Haut (diese Phasen scheinen mit dem Wassersack-Typ in Verbindung zu stehen)
  • Entzündungen
  • Hautgeschwüre
  • Verstümmelungen der Füße

Durch den hohen Gewebedruck des Lymphödems, kommt es zu einer Verdickung von Dermis und Epidermis mit exzessiver Keratinproduktion im Sinne einer Papillomatosis cutis, wodurch die betroffene Haut eine Podokoniose-typische, moosartige Konsistenz bekommt. Die Sensibilität der peripheren Nerven an den Zehen und dem Vorfuß bleibt dabei erhalten. Im Verlauf der Erkrankung können sogar die Zehenzwischenräume zusammenwachsen, wobei es zur Ankylose der interphalangealen Gelenke kommt. Podokoniose geht häufig mit einer akuten Adenolymphangitis (ALA) einher: eine schmerzhafte Entzündung der Füße und Beine mit geschwollenen Lymphknoten und Fieber. Ein häufiges, sehr unangenehmes Symptom ist der Gestank, der von dem entzündlichen Gewebe ausgeht.

Unterscheidung zur filariösen Elephantiasis
Podokoniose gehört zu den tropischen Lymphödemen, wird aber von der lymphatischen Filariose (LF) unterschieden durch zumeist beidseitiges Auftreten im Gegensatz zum Asymetrischen. Podokoniose beginnt in den Füßen und verbreitet sich auf die Beine bis hoch zu den Knien, aber selten bis zur Leiste; umgekehrt wird LF meist zuerst an den Leisten sichtbar. Anders als bei der Podokoniose, wird die filariöse Elephantiasis durch Parasiten verursacht, die durch Mücken übertragen werden.

KonsequenzenWas sind die Konsequenzen?

Ökonomische Folgen
Podokoniose hat einen großen negativen Einfluss auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte des Lebens der Betroffenen. Häufig ist es ihnen unmöglich zu laufen oder alltägliche Arbeiten und Aufgaben in der Familie zu verrichten. Da beispielsweise Arbeitgeber Angst vor Ansteckung haben, verlieren zusätzlich viele Betroffene ihren Arbeitsplatz und verarmen. Studien belegen einen durch die Erkrankung bedingten durchschnittlichen Verlust der Arbeitskraft um 45 Prozent pro Jahr.

2005 ergaben Schätzungen, dass durch die Krankheit in der Wolaita-Zone im Süden Äthiopiens (1,5 Millionen Einwohner) 16 Millionen Dollar pro Jahr eingebüßt werden. Damit ergeben sich wirtschaftliche Verluste von 200 Millionen Dollar pro Jahr in ganz Äthiopien. Die Betroffenen gaben an, weniger (21.9%) und seltener (44.9%) zu arbeiten oder komplett aufgehört zu haben (8%). 96.4% haben eine Verringerung/Verschlechterung ihres Einkommens bemerkt.

Stigmatisierung
Die Betroffenen leben als Ausgestoßene. Gründe sind der Geruch der entzündeten Haut, aber auch mangelnde Aufklärung über die Ursache der Krankheit. Durch die Podokoniose stigmatisiert, werden die Betroffenen diskriminiert, vor allem aus Angst vor Ansteckung. Manche führen die Erkrankung auf „Hexerei“ oder einen Fluch zurück, andere glauben, man stecke sich an, indem man die gleichen Waschgefäße benutzt. Solche Unkenntnis führt nicht selten dazu, dass die Kranken wie Aussätzige behandelt werden: Betroffene werden aus der Kirche, der Moschee und von Gemeindetreffen ausgeschlossen; Kinder und Jugendliche dürfen nicht mehr in die Schule gehen; es wird ihnen unmöglich eine Ausbildung zu erhalten; niemand will in die betroffenen Familien einheiraten. Somit drängt man die Betroffenen häufig zu einem Leben als Bettler, manche verhungern sogar. Podokoniose ist häufig eine „versteckte Krankheit“, da Familien die Betroffenen verborgen halten, um der Beschämung in der Gemeinde zu entgehen. Da sie auch vom Gesundheitswesen der Regierung Zurückweisung erfahren, sind sie in ihrem Dilemma gefangen, ohne Aussicht auf einen Ausweg. Ohne Hilfe sind sie dazu prädestiniert, die Ärmsten der Armen zu werden.

Geografische VerteilungWo findet man Podokoniose?

Podokoniose ist im Hochland des tropischen Afrika, Zentralamerika und Nordindien verbreitet.1 Eine hohe Prävalenz haben: Uganda, Tansania, Kenia, Ruanda, Burundi, Sudan und Äthiopien. In Äthiopien ist Podokoniose in einem Fünftel der Landesfläche endemisch und in Endemiegebieten weitaus häufiger als HIV. Verschiedene Studien zeigen Prävalenzen bis zu 9,1%. Vermutlich handelt es sich in Äthiopien um eine Millionen Podokoniose-Erkrankte, 64% davon in einem erwerbsfähigen Alter.
Für das Auftreten dieser geochemischen Erkrankung ist vulkanisch entstandener roter Lehmboden entscheidend sowie einige klimatische Faktoren wie eine Höhe über 1000 m und ausreichend saisonaler Regenfall.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind vor allem Bauern und Bäuerinnen in ländlichen Gebieten sowie Bergleute und Weber_innen, die auf dem Boden arbeiten und sitzen. Podokoniose tritt bereits in der ersten und zweiten Lebensdekade in Erscheinung, danach steigt die Prävalenz ständig an, um im sechsten Lebensjahrzehnt das Maximum zu erreichen. Vermehrt sind Frauen betroffen (2.6:1) und Menschen mit sehr schlechtem Bildungsstand. Bevor es zur Entwicklung der Symptome kommt, leben die Leute meistens schon jahrelang im Endemiegebiet. Neben den krankheitsursächlichen Mikropartikeln in vulkanischer Erde, scheint auch ein autosomal-co dominates Major-Gen für den Ausbruch der Erkrankung eine Rolle zu spielen.

BehandlungWie kann man Podokoniose vorbeugen?

Die primäre Prävention (= Vermeidung der Erkrankung) besteht Allem voran im Tragen von Socken und schützendem, festen Schuhwerk, welches am besten aus stabilem Leder gefertigt ist.

Wie kann man Podokoniose behandeln?

Die sekundäre Prävention (= Verhinderung der Progression der Erkrankung) beinhaltet:
1) die Schulung der Betroffenen in einfachen, doch strikten Hygienemaßnahmen
2) das tägliche Füßewaschen mit Seife und Wasser
3) das Auftragen von Antiseptika und Emollienzien

Auch Kompressionsverbände führen zu einer kontinuierlichen Besserung der Symptome. Diese Maßnahmen setzen eine lebenslange Compliance der Patienten voraus.

Die tertiäre Prävention ist mit der chirurgischen Therapie (Shaving-Operation) gleichzusetzen und wird selten eingesetzt.