
Ganz einfach. – Eine Reflexion
„Gegen Podo vorzugehen, ist einfach.“ Immer wieder geht mir in Gesprächen im Verein und mit Leuten, denen ich von Podokoniose berichte, dieser Satz von den Lippen. Vor ein paar Jahren habe ich an einen meiner Filme den Abschlusssatz „Prävention wäre so einfach“ angefügt. Und auch andere Podo-Organisationen haben Aufklärungsfilme, die das vermitteln. So zum Beispiel der neue Animationsfilm „Best Foot Forward“ von Ripple Effect Images, der für die internationale Podo-Initiative Footwork angefertigt wurde.
Doch, ich fühle mich nicht wohl beim Schauen dieses Films, und der Satz, den ich so oft ausgesprochen habe, passt mir nicht mehr. Ist das wirklich so, wie der Film es zeigt? Eine Ausländerin kommt in ein äthiopisches Dorf und klärt die von Podo betroffenen Menschen auf. Wir haben das schon mal damit verglichen, wie es ist, einem Kind Zähne putzen beizubringen. Die Betroffenen fangen also an, sich die Füße zu waschen und Schuhe zu tragen – Problem ganz einfach gelöst. Äthiopier und Äthiopierinnen waschen offenbar nicht gründlich genug ihre Füße und tragen keine Schuhe, sonst würde es Podo schließlich gar nicht geben.
Ganz so simpel ist es eben doch nicht. Und vielleicht kommt dieser Aspekt in unseren Gesprächen manchmal zu kurz. Wir wollen Spenden damit einwerben, dass Podo leicht behandelbar ist und dadurch schnell Erfolge erzielt. Wenn es ausschließlich eine Frage der Aufklärung über die Krankheit und der Disziplin des Füße Waschens bei den Betroffenen wäre, könnten wir womöglich bereits noch größere Erfolge verbuchen.
Woran liegt es also, dass Prävention und Behandlung nicht wie ein Lauffeuer um sich greifen?
Auf dem Land gibt es kein fließendes Wasser in den Häusern, es muss vom Brunnen geholt werden. Wer Podo hat, sollte bestenfalls drei Mal täglich seine Füße reinigen. Die eigenen Füße schmerzen stark – wen schickt man zum Wasser holen? Viele Betroffene haben gar kein festes Familiennetz, sondern werden auch von ihren Nachbarn und Nachbarinnen aus Angst vor Ansteckung gemieden. Und wenn das Wasser geholt ist, soll man es zuerst zum Trinken, zum Kochen, für das Vieh oder für die Füße nehmen, die ohnehin nach wenigen Minuten wieder staubig sein werden?
Schuhe gibt es auch auf den Dorfmärkten zu kaufen, zu denen man sich einmal pro Woche aufmacht. Viele Menschen greifen zu Sandalen aus Plastik. Diese sind billig und schützen vor den steinigen Wegen, gehen allerdings auch schnell kaputt. Qualitativ hochwertigere und natürlich teuere Schuhe hingegen sind für die Arbeit der Bauern und Bäuerinnen zu schade und werden beim Pflügen, Bestellen und Ernten der Felder meist ausgezogen. Mit den großen Matschklumpen unter den Sohlen ließe es sich ja doch nicht ordentlich laufen. Und Schuhe für Kinder, aus denen sie permanent rauswachsen, und die beim Spielen, Arbeiten und den langen Schulwegen sehr leiden, lohnen sich finanziell eigentlich auch nicht. Und doch sind es gerade Frauen, Mütter, die allen Familienmitgliedern vor sich selbst Schuhe leisten.
Die Liste der Herausforderungen für Menschen, die mit Podokoniose leben müssen, könnte noch fortgeführt werden. Im Endeffekt ist es wahr, dass sie wenige Mittel brauchen, um ihre Krankheit zu behandeln, und darin liegt das große Potential einer schnellen, erfolgreichen Hilfe für sie. Ob sie diese Hilfe wahrnehmen und sich ihr Leben nachhaltig verändert, liegt bei den Betroffenen selbst, und kann nur mit einem respektvollen Blick auf ihre individuellen Lebensläufe und gesellschaftlichen Zusammenhänge betrachtet werden.
Jette Förster, Podo e.V.